20.09.2023
270 Teilnehmer:innen beschäftigten sich am 14. und 15. September bei der HR Connect(s) 2023 im Uni-Center der Johannes Kepler Universität Linz mit einem zentralen Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort: den Arbeitskräften. Die Tagung bot viele Best Practices und Inspirationen nationaler und internationaler Expert:innen für das HR-Management. Fazit: Nachhaltige Mitarbeiterbindung ist das neue Recruiting. Die HR-Abteilungen sind gefordert, innovative Lösungen zu finden.
Die HR-Abteilungen müssen zukunftsfähige Personalarbeit leisten, vom Recruiting bis zur Aus- und Weiterbildung der Belegschaft. Um nachhaltige Personalstrategien zu entwickeln und zu verfolgen, muss man junge und künftige Generationen verstehen. Welches Mindset die Generationen Y (Jahrgänge 1980-1995), Z (Jahrgänge 1995-2010) und Alpha (ab Geburtsjahrgang 2010) kennzeichnet und wie in diesem Zusammenhang New Leadership und New Work gestaltet werden müssen, erläuterte Generation Y Vertreterin und Human Capital Evangelist Steffi Burkhart in ihrer Opening Keynote.
„Sie sind jene, die unsere aktuellen und künftigen Wirtschaftsprobleme mit lösen müssen. Daher ist es umso wichtiger, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen“, betonte Burkhart. Anstelle von reinen Arbeitsstätten müssten Unternehmen künftig Begegnungsstätten und Erlebniswelten einrichten: „Man muss Experience schaffen – und das schon beim Vorstellungsgespräch – ein positives Gefühl, Wertschätzung und einen Wow-Moment. Es geht immer um positive Emotionen, weil wir in einer Experience Economy angekommen sind – sowohl im Consumer-Bereich als auch bei den Arbeitskräften.“
Die Generation Z erwarte sich Nachhaltigkeit, Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit. Mit männlichen Monokulturen könne man keine Lösungen schaffen, daher brauche es als bestes Team ein diverses Team mit unterschiedlichen Denkweisen, Kulturen, Geschlechtern, etc. „Wir brauchen Denkdiversität in den Spitzenpositionen, damit wir am Puls der Zeit sind. Das heißt für die HR, dass wir datenbasierte statt subjektiven Entscheidungen brauchen. Wir brauchen eine Kombi aus menschlicher und technologischer Intelligenz, damit der Mensch wieder mehr Zeit für den Menschen hat“, sagte Burkhart. HR sei dafür die wichtigste Abteilung in Unternehmen, die Führung müsse aber mitgehen und proaktiv gestalten. „Junge Leute wollen eine coachende Führungskraft“, ist die Generationenexpertin überzeugt. Die Illoyalität der Generation Z hält sie für Fluch und Segen zugleich: „Einerseits werden wir Mitarbeiter:innen nicht mehr so einfach halten, andererseits ziehen wir neue leichter an.“
Othmar Lehner von der Hanken School of Economics betrachtete in seinem Vortrag die neuen gesetzlichen Vorgaben wie die CSRD der EU aus HR-Sicht. Er empfahl Unternehmen, sich aus den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der WHO höchstens fünf herauszusuchen und diese dafür strategisch im Unternehmen umzusetzen. „Wenn Sie als Unternehmen behaupten, alle 17 SDGs zu verfolgen, wirkt das weder authentisch noch glaubwürdig“, meinte Lehner. „Wenn fünf Herren über 55 in dunkelblauen Anzügen erklären, Gender Diversity sei ein Unternehmensziel, weil viele Frauen im Unternehmen arbeiten und es eine Frauenbeauftragte im Betrieb gibt, ist das nicht glaubwürdig. Vor allem dann nicht, wenn die Frauen hauptsächlich in der Verpackung und Kantine arbeiten“, verdeutlichte der Unternehmensberater. Vielmehr müssten die SDGs mit HR, Rechnungswesen, Qualitätsmanagement und Kommunikation eng abgestimmt und schließlich im Geschäftsbericht nachweisbar und sichtbar sein. „Auch in den Richtlinien der Bonifikationen für das Top-Management müssen Nachhaltigkeitsthemen einfließen“, sagte Lehner. Nachhaltigkeit müsse als Change-Management-Projekt begriffen werden.
Wie HR dazu beitragen kann, dass die Nachhaltigkeit zum Geschäftserfolg führt, ist für den Experten klar: „Integrieren Sie authentische Nachhaltigkeit in die Unternehmensvision und -strategie. Bilden Sie interne Arbeitsgruppen, um Nachhaltigkeitsziele zu setzen und deren Umsetzung zu überwachen. Fördern Sie eine Kultur des kontinuierlichen Lernens. Und jede:r Mitarbeiter:in muss die SDGs kennen!“ Was er selbst bei einem Karrieretag an einer Fachhochschule beobachtet hat: Ein starkes, sichtbares und authentisches Engagement für Nachhaltigkeit zieht talentierte Mitarbeiter:innen an und fördert ihre Loyalität: „Der 1. Stock war überfüllt, während bei den Unternehmen im Erdgeschoß kaum Studierende vorbeischauten. Die jungen Leute sagten: Da oben sind ja die Unternehmen, die für ihre Nachhaltigkeit bekannt sind.“
Stefan Grafenhorst berichtete von einem Experiment bei der Greiner AG. Der Konzern hat vor einem Jahr Nachhaltigkeit und HR zu einer Abteilung zusammengelegt, die Grafenhorst leitet. Er wies darauf hin, dass verschiedene ESG-Rating-Agenturen die drei Bereiche unterschiedlich gewichten und erklärte, wie ein ESG-Rating zustande kommt: „Wer bei Environment eine gute Performance hat, im Bereich Social aber nicht, kann insgesamt ein eher schlechtes ESG-Rating erhalten, auch von den Banken.“ Die Hausbank der Greiner AG lieferte den Anstoß für den Versuch, HR und Nachhaltigkeit zusammenzulegen. „Wir brauchten für eine Investition 22 Millionen Euro Kredit von der Bank“, erzählte Grafenhorst. „Sie machte uns darauf aufmerksam, dass wir mit Kunststoff arbeiten und Plastik einen riesigen CO2-Fußabdruck sowie einen schlechten Ruf hat. Also mussten wir uns unsere Nachhaltigkeitsstrategie genauer anschauen. Schließlich haben wir mit der Bank einen variablen Zinssatz vereinbart: Steigt unsere ESG-Performance, sinken die Zinsen und umgekehrt.“
Bei Mondi, einem der weltweit größten Verpackungshersteller mit mehr als 20.000 Mitarbeiter:innen an 100 Standorten in 30 Ländern läuft seit einigen Jahren das Projekt NEXTGEN, um lokale Talente zu finden und zu fördern. Führungskräfte können nach gewissen Kriterien junge Talente an ihren Standorten nominieren. Mit Begleitung und Beratung von Deloitte durchlaufen diese Talente zehn Monate lang dann ein Nachwuchs-Führungskräfteentwicklungsprogramm.
In seiner Opening Keynote am zweiten Tag bezeichnete Rainer Peraus von der Youtopia Group die Nachhaltigkeit als utopische Mission, weil es in den kommenden 20 Jahren mehr Veränderung geben wird als in den vergangenen 300 Jahren. „Wir denken oft an eine alte Zukunft, also an eine Verbesserung der Gegenwart, aber an nichts Neues“, sagte Peraus. Transformation sei aber eine Neuerzählung der Wahrheit. „Allerdings trägt der Mensch diesen Wandel, und der hat Angst vor dem Kontrollverlust. Transformation ist eine Odyssee – das ist schwierig für uns, weil wir immer einen Plan haben wollen.“ Utopien können laut Peraus aus diesem Dilemma heraushelfen, denn sie lösen Mut und Motivation aus. „Wir leben ausschließlich in verwirklichten Utopien. Es ist wichtig, dass wir unsere Perspektive ändern – nicht in Lösungen denken, sondern die Welt anders sehen. Wir müssen in Utopien denken“, appellierte Peraus.
Das Wiener Unternehmen TELE Haase Steuergeräte GesmbH entwickelt und produziert seit 1963 Zeit- und Überwachungsrelais. Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie und des Personalmanagements und fest im Leitbild verankert. Bei TELE gibt es kein klassisches Management mehr, Führungskräfte im Unternehmen sind gewählt; es gibt Rollen, keine Funktionen. Geschäftsführer Markus Stelzmann berichtete nicht ohne Stolz: „Wir haben letztes Jahr den höchsten Gewinn seit 60 Jahren erzielt, heuer sogar noch verdoppelt – und das ohne Management, das haben die Mitarbeiter:innen selbst hinbekommen. Wir bilden Unternehmer:innen aus. Wir befähigen unsere Mitarbeiter:innen, wirtschaftlich zu denken. Das schätzen sie viel mehr als irgendwelche Boni.“
TELE Haase kann also getrost als erstes wirklich demokratisches Unternehmen bezeichnet werden. Ein wesentliches Konzept dabei: Alle wissen alles und sind in der Lage, innerhalb von 24 Stunden alles zu verändern. Jede:r Mitarbeiter:in hat auch Einsicht in die Firmenkonten. Und: Bei TELE Haase gibt es kein Homeoffice, sondern das Prinzip „Work Anywhere“. „Unser Gebäude muss so schön sein, dass es mit dem Homeoffice konkurrieren kann. Wir geben nicht vor, von wo aus unsere Mitarbeiter:innen arbeiten sollen“, betonte Stelzmann. Die Prinzipien Freiheit und Verantwortung führten bei TELE Haase zu nachhaltigem Wirtschaften der Belegschaft, denn, so Stelzmann: „Erwachsene Menschen treffen Entscheidungen für sich und das Unternehmen. Sie müssen Ihre Mitarbeiter:innen nicht regulieren, Sie müssen Bewusstsein schaffen. Ich bin nicht der Kindergärtner des Unternehmens.“
In insgesamt 17 Parallesessions präsentierten heimische Unternehmen – vom Leitbetrieb bis zum Start-up – ihre Best Practices aus Employer Branding und berichteten über innovative Ansätze zum Thema nachhaltiges Personalmanagement, Recruiting und Mitarbeiterbindung. Die Closing Keynote bestritt der Wirtschaftskabarettist Otmar Kastner. Auf humorvolle Weise brachte er die aktuellen und kommenden Herausforderungen auf den Punkt: „Probleme sind Geschenke. Sie sind der Anstoß, damit wir wachsen, dafür müssen wir alte Glaubenssätze auflösen.“ Ans Publikum appellierte Kastner: „Es braucht Menschen, die vorangehen, die Leuchttürme sind, das seid ihr. Wenn wir mental, emotional und körperlich in Bewegung bleiben, kommt das Schwungrad in Bewegung. Es geht darum, Dinge zu machen, die man noch nie getan hat.“
Die nächste HR Connect(s) findet am 12. und 13. September 2024 unter dem Motto „Zeit für MUT! Wie HR auf neue (unbequeme) Wege führt“ im Stift St. Florian statt.
Sie haben Fragen zum Programm oder zu Förderungen?
Kontaktieren Sie uns!